Aus der Geschichte des
deutschen Kurzwellen-Rundfunks |
|
Der ,,Weltrundfunksender"
Zeesen |
|
GERHARD DAMM - DL1RWD |
|
Von 1929 bis 1945 arbeitete in
Zeesen, am südöstlichen Stadtrand von Berlin, einer der
leistungsfähigsten Kurzwellenrundfunksender der damaligen Zeit.
Unser Beitrag informiert Sie über Vorgeschichte, technische
Ausstattung und Entwicklung dieses" Weitrundfunksenders "
ebenso wie über seine politische Bedeutung. |
|
Der offiziellen Eröffnung
des KurzwellenRundfunkdienstes in Deutschland im Jahr 1929 gingen
zahlreiche Aktivitäten zur Erkundung der Brauchbarkeit der
Kurzwellen für den internationalen Betrieb voraus.
Zu dieser Erkundung gehörten auch die Arbeiten
einzelner international bekannter Wissenschaftler, aber auch die von
Funkamateuren, vorrangig der USA. Die Industrie einschließlich
nationaler Postverwaltungen, so auch die deutsche, zeigten erst
Interesse am Einsatz der Kurzwellen, nachdem sich deren Brauchbarkeit
im Ergebnis o. a. Erkundungen herauszustellen begann. Bis dahin
verwendete man Frequenzen im Lang- und Mittelwellenbereich. Zum Glück
für die Funkamateure, denen man die "unbrauchbaren"
Kurzwellen zugestanden hatte. Wer weiß, ob es sonst heute
Kurzwellen-Amateurfunk und damit weltweiten Funkverkehr geben würde. |
|
Marconi führte 1916
erste Versuche mit gerichteten Kurzwellen durch, gefolgt von Franklin in
England, der 1919 mit Sprachübertragungen im Kurzwellenbereich
experimentierte. Von seiten der Funkamateure waren es die Amerikaner,
deren Sendungen in Europa erstmalig am 8. Dezember 1921 zu empfangen
waren. Leon Deloy, ein französischer Funkamateur, überbrückte
1923 den Atlantik von Europa nach USA. Und dies ohne "Funkwetterprognose".
Und wie so oft in der Geschichte der technischen
Erfindungen und Entwicklungen, half der Zufall den Beteiligten auf die
Sprünge. Anläßlich der Eröffnung einer
kommerziellen Funkstation in Argentinien versagte der Empfang des
deutschen Langwellensenders in Nauen infolge starker atmosphärischer
Störungen. Ein beteiligter Telefunken-Ingenieur verwies auf die
Tatsache der Erfolge amerikanischer Funkamateure bei der Nutzung der
Kurzwelle. Es mag kurios klingen, aber diese Ereignisse veranlaßten
die Firma Telefunken, einen Kurzwellensender zu entwickeln und in
Nauen in Betrieb zu nehmen. Mit 800 W HF-Leistung liefen ab Juli 1924
Telegrafieverbindungen mit Südamerika.
Diese und weitere Erfolge veranlaßten die
damalige Deutsche Reichspost. sich mit zielgerichteten Versuchen zur
Anwendung der Kurzwellen für den Rundfunkdienst zu befassen. Dazu
muß man wissen. daß andere europäische Länder.
z.B. in England die BBC, Mitte der 20er Jahre mit der
probeweisen Aussendung von Rundfunkprogrammen im Kurzwellenbereich
begonnen hatten. Der Kurzwellenrundfunk wurde daher nicht nur zur
technischen, sondern zur nationalen Prestigefrage. |
|
Vom bislang für
Rundfunk-Sendungen genutzten Standort Königs Wusterhausen - die
offizielle Eröffnung des deutschen Rundfunks erfolgte bekanntlich
am 15. Oktober 1923, der Deutschlandsender nahm seinen Betrieb am 11.
August 1925 auf erfolgten ab 1. September 1926 Rundfunksendungen auf
Kurzwelle.
Der Sender, von Telefunken erbaut. strahlte seine
Leistung von 250 W über eine einfache Schrägdrahtantenne ab.
die in die bestehenden Antennentragmasten Integriert war.
Ursprünglich war vorgesehen. auf dem damals
bereits vorhandenen Mittelturm (volkstümlich: der Dicke) zusätzlich
einen Vertikalstrahler aufzusetzen. Dies scheiterte aber letztlich an
politischen Bedingungen. Deutschland war es im Gefolge des ersten
Weltkrieges u. a. untersagt, Gebäude zu errichten, die die Höhe
des Eiffelturmes übertroffen hätten. Und dies wäre in Königs
Wusterhausen der Fall gewesen.
|
|
Teilansicht des ersten KW-Antennensterns mit 70-m-Türmen.
Ganz links der 70-m-Holzturm mit dem
KW-Rundstrahler,
Mitte ein 210-m-Mast für LW (1934) |
|
Die Funksendestelle in Königs
Wusterhausen war zum damaligen Zeitpunkt schon nicht mehr erweiterungsfähig,
Bereits der Deutschlandsender 11 (LW) war 1927 auf dem von der
Reichspost erworbenen Gelände des luftfahrttechnischen Unternehmens
SchütteLanz (Luftschiffbau und Flugplatz) in Zeesen in Betrieb
gegangen. So erteilte die Reichspost 1928 den Auftrag auf diesem
Flugplatzgelände in Zeesen einen Kurzwellensender hoher Leistung zu
errichten. Den Auftrag erhielt die Firma Telefunken. |
|
Den ersten KW-Sender
errichtete Telefunken im Haus 4 (Haus 1 bis 3 befanden sich in Königs
Wusterhausen) am Standort des Deutschlandsenders 11. Die Leistung dieses
KW-Senders war für damalige Zeiten recht respektabel, sie betrug 5
kW, später 8 kW. Der Sender war siebenstufig aufgebaut und bestand
aus dem Quarzoszillator, gefolgt von Verstärkerund
Vervielfacherstufen. Die Endstufe enthielt bei der 5-kW-Ausführung
eine RS 225, bei der 8-kW-Ausführung zwei RS 225. die mit einer
Anodenspannung von 10 kV betrieben wurden. Die Modulation erfolgte in
der Treiberstufe. Das Antennenteil war für den Frequenzbereich von
3 bis 20 MHz ausgelegt und diente zur Anpassung der bescheidenen, 75 m
langen Eindraht-Vertikalantenne, die zu einem der beiden 210-m-Masten für
den Deutschlandsender führte. |
|
|
|
Für die gesamte
Energieversorgung des KW-Senders benötigte man zehn Maschinensätze
(plus zehn als Reserve). Diese bestanden aus Hochspannungsumformern und
Gleichstromgeneratoren. z. B. für die Heizung. Die Endröhren
waren mit Regenwasser druckgekühlt. Der Sender arbeitete nach der
offiziellen Inbetriebnahme vorerst auf zwei Frequenzen: 6,02 und 9,56
MHz. Höhere Frequenzen wurden für den Rundfunk erst ab 1932
freigegeben.
Die für damalige Verhältnisse große
Reichweite des Senders, die den Sendern Eindhoven (Niederlande) und
Schenectady (USA) in nichts nachstand, führte bei der Eröffnung
am 26. August 1929 zu der Namensgebung "Weltrundfunksender"
bzw WeltrundfunkKurzwellensender". 1930 erfuhr die Antennenanlage
entscheidende Verbesserungen. Der Bau eines 70 m hohen Holzturms(!)
ergänzte den vertikalen Drahtstrahler. Vierfach gestockte Dipole
in vier Richtungen wurden um den Turm herum angebracht. Durch diese
Dipolkombination erreichte man einen günstigen vertikalen Öffnungswinkel
sowie einen Erhebungswinkel von 10'. Der Antennengewinn soll 9 dB
betragen haben. |
|
Die erste Richtantenne,
im Januar 1932 für Nordamerika in Betrieb genommen, erzielte eine
horizontale Bündelung von 30'. Der Leistungsgewinn betrug knappe 17
dB! Sie bestand aus einer Gruppe von 24 Dipolen plus Reflektoren. Bis
zum Jahr 1934 wurden zehn derartige Richtantennen an elf Stahlgittertürmen
von je 70 in Höhe angebracht. Sie versorgten die Gebiete Nord-,
Mittel- und Südamerika, Ostasien und Afrika im Frequenzbereich von
6 bis 17 MHz.
Ein zweiter quarzgesteuerter Sender mit 5 kW kam
1932 hinzu. Er war achtstufig konstruiert, verwendete zwei Röhren
RS 255 und war wie Sender 1 gittergleichstrommoduliert. |
|
Strahlten die Sender
bislang Landesprogramme anderer Sender ab, so erfolgte ab 1933 durch die
damalige Reichsrundfunkgesellschaft eine gesonderte Programmgestaltung.
Sie war eigens für die Hörer im Ausland bestimmt und stand
voll im Zeichen der gesellschaftspolitischen Lage in Deutschland.
Was Wunder, daß dies auch zur weiteren
Ausstattung des Senders in Zeesen führte. So nahm 1935 ein
weiterer KW-Sender des Typs "Nauen" (50 kW) mit einer
Telefonieleistung von 12 kW seinen Betrieb auf. Dieser Sender
arbeitete in der Endstufe mit zwei im Gegentakt geschalteten RS 257,
einer Weiterentwicklung der bisher verwendeten RS 225.
Als Besonderheit wies er eine Doppelausstattung mit
Schwingkreisen (Variometer) auf, die bei Frequenzwechsel umgestimmt
werden mußten. Vorabstimmung verringerte den Zeitraum der
Frequenzumstellung in bedeutendem Maße.
Die Umschaltung zwischen Tag- und Nachtfrequenzen
sowie andere für die jeweils günstigste Ausbreitung
geeignete Frequenzwechsel erfolgten bereits auf der Grundlage von
Prognosen des Reichspostzentralamtes. |
|
Einen besonderen
technischen Aufschwung erfuhr die Sendestelle in Zeesen in Vorbereitung
der Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Neben dem vorhandenen Senderhaus
4 wurden die Häuser 5 und 6 errichtet. Sie bestanden u. a. aus
einem 500 m 2 großen Sendersaal, der vier Sender mit 40 kW
Leistung aufnehmen konnte, die Telefunken und Lorenz erbauten. Diese
trugen die bekannte Bezeichnung "OlympiaSender". Eine
Kombination von Parallel- und Gegentaktschaltung von vier Senderöhren
des Typs RS 257 ermöglichte die hohe Sendeleistung, die man später
noch auf 50 kW erhöhte. Außerdem wurde Anoden-BModulation
angewandt. Die Sender waren siebenstufig aufgebaut und gestatteten
Quarz- und VFO-Betrieb. |
|
|
Olympiasender" (50kW) in Zeesen (1935/36 |
|
|
Neben der Erweiterung der
Anzahl der Sender war ein Ausbau der Antennenanlagen erforderlich. Es
kamen weitere 13 Stahlgittertürme hinzu, die im Gegensatz zu den
vorhandenen elf 70-m-Türme eine Höhe von 100 in aufwiesen.
Dadurch war es möglich, eine noch stärkere vertikale Bündelung
durch achtfache Dipolstockung zu erreichen.
Während der ersten Kriegsjahre errichtete man
in Zeesen bereits in anderen Funkdiensten erprobte Rhombusantennen.
Gegenüber den frequenzabhängigen Dipolen zeichnen sich diese
durch eine relativ große Frequenzbandbreite und gute
Abstrahlungsbündelung aus.
Außerdem ist der Aufbau mit Holzmasten wegen
der geringen Aufbauhöhe möglich, was zu Kriegszeiten wohl
auch eine Materialfrage ist. Der Aufbau erforderte auch nicht den
technischen und materiellen Aufwand wie bei den bereits betriebenen 70
und 100 in hohen Stahlgittertürmen.
|
|
1939 kam die
Realisierung einer für damalige Verhältnisse sicher spektakulären
technischen Entwicklung im Antennenbau hinzu. Auf einem der 70-m-Türme
des Antennensterns 1 installierte man einen ausfahrbaren
Vertikalstrahler mit Selbstabstimmung, der durch Längenveränderung
die Abstrahlung über einen großen Frequenzbereich (5 bis 30
MHz) ermöglichte. Diese Antenne erhielt in Insiderkreisen die
Bezeichnung "Papstfinger", da zuvor eine derartige
Konstruktion bei Radio Vatikan errichtet worden war.
In seiner letzten Ausbaustufe bestand der "Weltrundfunksender
Zeesen" aus folgenden Anlagen: neun 50-kW-Kurzwellensendern,
einem 12-kW-Kurzwellensender, einem LWSender mit zwei 210-mMasten, 24
Dipolwänden an elf 70-m- und dreizehn 100-mTürmen, dem
Vertikalstrahler "Papstfinger", dem 70-m-Holzturm mit
Rundstrahler und vier Rhombusantennen. Drei Senderhäuser ein
Dieselhaus und ein Netzumspannwerk schlossen die technische Ausrüstung
auf diesem ehemaligen Fluggelände ab. |
|
|
|
|
Am 26. April
1945 stellte der "Weltrundfunksender Zeesen" seine Sendungen
ein. Das Bedienungspersonal entfernte auf Befehl wichtige Einzelteile.
Die Anlagen blieben unbeschädigt, um sie im Falle einer "Rückeroberung"
wieder in Betrieb nehmen zu können, woraus bekanntlich nichts
wurde. Die sowjetischen Truppen demontierten die Senderund
Antennenanlagen im Sommer 1945 und sprengten die Gebäude.
Nach Gründung der DDR nahm auf einem Teil des
ehemaligen Sendegeländes, dem Teil des ehemaligen Standortes des
Senderhauses 4 für den Langwellen-Deutschlandsender und des
ersten KW-Antennensterns, eine militärische KW-Sendefunkstelle
ihren Betrieb auf, die z. Z. ebenfalls demontiert wird. Der übrige
Teil des Geländes wurde und wird wirtschaftlich benutzt. |
|
|
|
Neben dieser
rein technischen Betrachtung des Weltrundfunksenders der Zeesen übrigens
weltweit bekanntmachte darf eine kurze politische Betrachtung nicht
fehlen. War der Kurzwellen-Rundfunkdienst und die Errichtung des Senders
in Zeesen (außerdem gab es KWSendezentren in Elmshorn bei Hamburg,
Ismaning bei München und Oebisfelde westlich Berlins) zuerst eine
technische und nationale Prestigefrage - wie gesagt, andere Länder
innerhalb und außerhalb Europas hatten mit der Einführung des
Kurzwellenrundfunks für Auslandssendungen bereits begonnen -, wurde
er mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 mehr und mehr
zum weltweiten Propagandainstrument. Besonders während des zweiten
Weltkrieges wuchs diese Bedeutung. Alle kriegführenden Staaten
hatten die Rolle des Auslandsrundfunks erkannt. Der internationale Ätherkrieg
entstand.
War es vor dem zweiten Weltkrieg noch Hauptaufgabe,
die Deutschen im Ausland an die Heimat zu binden. so entwickelte sich
der "Deutsche Kurzwellensender" zum so bezeichneten
Fernkampfgeschütz im Äther". Man sprach von der "Wellenartillerie
des Rundfunks und seiner Sendebatterien". Der "Deutsche
Kurzwellensender/ Weltrundfunksender Zeesen seit 1936
Weltspitzenleistung in technischer Hinsicht, war für diese
politische Aufgabe bestens geeignet. Einige mir bekannte Insider
sprachen gar von der "V 3".
Die Reaktionen im Ausland wiesen eine breite Palette
auf. Sie reichten z. B. von Deutschen im Ausland: _'Wissen Sie, wie
einem Deutschen zumute ist. wenn abends Grüße aus der
Heimat. aus unserem lieben Vaterland, durch ein deutsches Haus im
afrikanischen Busch fluten ..." oder: Tagsüber sind wir in
Brasilien. aber wenn das Rufzeichen des Deutschen Kurzwellensenders
ertönt, dann fühlen wir uns wie in unserer Heirnat"
oder: ..Durch diese Sendungen habe ich einen unzerstörbaren
Glauben an das neue Deutschland und seinen Führer gewonnen ... -
bis zu: "Dieses Kurzwellensystem stellt die größte
potentielle Propagandawaffe dar. die die Welt je gesehen hat..." |
|
|
|
Bei allem
Jubel um technischen Fortschritt gilt es zu bedenken. wie er mißbraucht
werden kann. Im Falle des ehemaligen "verträumten Fischerdörfchens
Zeesen" südlich von Berlin in Verbindung mit Schütte-Lanz
und dem Luftschiff- und Flugzeugbau im ersten Weltkrieg, gefolgt vom "Weltrundfunksender
Zeesen- als Fernkampfgeschütz" im zweiten Weltkrieg |
|
|
|
Literatur
(1) Archiv des Verfassers (Angaben ehemaliger
Mitarbeiter)
(2) 50 Jahre Kurzwellen-Rundfunk, Sonderdruck 1979 [3] Wortschlacht
im Äther, Morgen die ganze Welt, Deutsche Welle |